29.10.2011 18.00 Uhr
Ausstellungsdauer: 30.10.–29.11.2011
Theseustempel Volksgarten 1010 Wien
Vom 29. Oktober bis zum 29. November 2011 präsentiert der Contemporay Art Club André Butzer im Theseus Tempel, mit vier großformatigen Bildern aus dem Jahr 2011; es sind vier relativ ungewöhnliche Bilder, in der Anlage alle sehr ähnlich: ein grauer Bildraum, darin zwei rechtwinklige Formen, schwarz, hart und mehr oder weniger scharf gesetzt, vertikal, horizontal ... wer mit dem Werk des Malers vertraut ist, wird sich möglicherweise wundern.
Der CAC begreift die Situation und Geschichte des klassizistischen Bauwerks als Herausforderung und Chance für Ausstellungen, die von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler gestaltet werden. Verschiedene Künstlerinnen und Künstler werden in den nächsten Monaten vier Ausstellungen in dieser Situation entwickeln.
Seine Bilder waren immer Ausgangspunkt heftiger Kontroversen, da er die gesicherten und ungesicherten Werte der Malerei von Anfang an ebenso intensiv aufrief, wie er sie unterlief und widerlegte. Ob nun „malerisch“ und „figurativ“ oder „monochrom“ und „künstlich“ ... nichts war bei ihm eindeutig, ohne Widersprüche oder in Persona berechenbar gemacht. Auch die unmittelbare Geste – intensive Farben, direkt aus der Tube in klaren Figuren hingeschrieben – konnte er wie ein industrielles Serienprodukt setzen. Die Unerschöpflichkeit der Phantasie vermischt er mit dem Automatismus des Fließbands, ihre Propaganda strahlender Lebensfreude mit Unwetter und Gift, das freie Licht der Natur mit dem Entzug des utopischen Versprechens. Graue Bilder gehören schon lange zu seinem Spektrum, aber sie waren nie einfach nur unfarbig oder leer. André Butzer legte die sogenannte „Nichtfarbe“ vielmehr extrem vielschichtig an; sie changierte in Nuancen zwischen glänzendem Silber und rohem Beton, konnte taktil, körperlich greifbar verspielt und zugleich unbarmherzig verschlossen wirken. In Wien wird er in dieser Hinsicht ganz andere Bilder zeigen; er nennt sie N-Bilder, und die Farbe – ein helles, lichtes Grau – ist auf der Leinwand kaum noch spektakulär pastos oder mit anderen Spuren zu sehen, die eine leichte Vermittlung ins Gebiet der Malerei anbieten; der Auftrag scheint nahezu plan. Dennoch macht André Butzer genau diese Fläche zu einem Schauplatz, auf dem er untersucht, wie tragfähig Farbe ist, und das Drama, das er dafür gewählt hat, ist kein geringeres als die Spannung zwischen Leben und Tod. Diese Frage in einen griechischen Tempel – in dessen Replik, um genau zu sein – hineinzutragen, ist mehr als berechtigt. Im „Haus der Götter“ ist die Spannung als Grundstruktur angelegt: das architektonische Zeichen zwischen Erhebung, Übergang und Ausgrenzung ... und die vier Leinwände von André Butzer stellen dazu ein verführerisch passendes „Bild“ her; es könnte wie eine direkte formale Analyse genommen werden: an der rechten Bildhälfte ein vertikal, lang aufgezogenes, dünnes Rechteck; das wäre demnach die Säule. Oben in der Fläche ein ähnlich bemessenes Element, horizontal geführt: der Dachbalken zur Illustration. Natürlich wirkt in dem Bildaufbau eine architektonische Struktur nach, doch ebenso klar bleibt der „Träger“ in der Schwebe, ist die Balance weder für die Funktion noch für eine entsprechende Deutung hergestellt. Der Maler „belastet“ den fehlenden Ausgleich sogar noch zusätzlich; er sieht einen schweren tragischen Ton im Verhältnis zwischen den beiden Grundformen: „Die Lebenden tragen die Toten“ – dieses Thema wird im Katalog der Kestnergesellschaft zu den neuesten Bildern als Leitmotiv nachgezeichnet. Im Tempel haben die Menschen ihr Verhältnis zur Unsterblichkeit formuliert, und unter diesen Bedingungen konnten sie es allmählich abwandeln. Daher prägt das klassische Bauwerk die Vorstellungen bis in die Zeit seiner idealistischen Wiederkehr mit Spannungen wie der zwischen Leben und Tod, Träger und Getragenes oder Opfer und Schuld. Sogar die einfache Neugierde, die der Tempel im Volksgarten heute auf sich zieht, wenn die Türen offen sind, verdankt sich noch der Frage, ob im Inneren etwas Irreales aufbewahrt, ob dort ein Rest des alten Himmels aufgehen wird. Die großen Leinwände von André Butzer in dem Raum vorzufinden, könnte zunächst wie eine schattenhafte Wiederkehr des Äußeren im Innern wirken: die Säulen und das Dach, die Wände und der Durchgang, Sperre und Öffnung. Dann aber verweigern die Bilder ihren Dienst in der Funktion und stellen sich als Produkt jenes Mediums her, das den dramatischen Stoff weiter trägt, nachdem die Kirche vor etwa 200 Jahren – damals wurde auch der Theseus-‐Tempel errichtet – der Kunst das „Drama“ endgültig überließ. Seitdem ist offen, in welcher Richtung die Maler mit dem Erbe gehen. Die Antwort hängt unter anderem auch davon ab, wo die Werke gesehen und wie gut sie in dem Zusammenhang verstanden werden. Den aktuellen Bildern von André Butzer bietet der Theseus Tempel in dieser Hinsicht denkbar günstige Bedingungen, denn dort können sie sich am besten von ihrer „irdischen“ Funktion – im illustrativen System – lösen und ihre eigene Wirkung entfalten: ein Bild, das nur als Körper, Realität, Licht und Fleisch eines Bildes zu begreifen ist. Roberto Ohrt, Hamburg
Roberto Ohrt, Hamburg
N-Bilder sind die Matrix / Matrize von Leben und Tod ...
Die Matrix / Matrize von Leben und Tod ist Malerei.
Die (Gebär-) Mutter von Leben und Tod ist Malerei.
Der Ursprung / die Quelle von Leben und Tod ist Malerei.
N ist die immer zukünftige Koordinate / Kalkulation im All,
welche in die Nähe zur Geburt, zur Mutter, zu Leben und Tod führt. N führt zu Malerei.
N ist Vernichtung.
A. Butzer, Rangsdorf
André Butzer, 1973 in Stuttgart geboren, studierte zunächst an der Merz-‐Akademie (Stuttgart), dann an der Kunsthochschule in Hamburg und gründete 1996 mit Freunden ein eigenes Institut, die Akademie Isotrop. 2000 ging er nach Berlin. Seine Kunst erreichte in den folgenden zehn Jahren ein internationales Publikum; er stellte regelmäßig in Los Angeles, Athen, New York, Dubai, Paris oder Helsinki aus. Unlängst zeigte ihn die Kestnergesellschaft in Hannover: „Der wahrscheinlich beste abstrakte Maler der Welt.“
Der CAC wird den Theseustempel im Volksgarten als Schauplatz für ein Ausstellungsprogramm nutzen, das den zeitgenössischen künstlerischen Umgang mit einer exponierten Situation im öffentlichen Raum exemplarisch zur Diskussion stellt, gestützt auf die Mitwirkung bzw. Herausforderung privater Sammler, deren Verhältnis zu öffentlichen Sammlungen sich im letzten Jahrzehnt spürbar gewandelt hat. Das Programm wird insofern auf einem vielschichtigen Konfliktfeld stattfinden, das immer noch in Bewegung ist. Wir beachten und betonen in der Situation um den Tempel vor allem die Spannungen und Veränderungen im Verhältnis zwischen:
Der Theseustempel vereint also eine Reihe ganz unterschiedlicher Faktoren, die seiner Nutzung deutliche Grenzen setzen. Diese schwierigen Bedingungen müssen in der Praxis stets berücksichtigt werden; nur dann kann das alte Bauwerk ein aktuelles Programm aufnehmen, nur dann kann es den Projekten dienen, wird aus der Schwierigkeit eine Möglichkeit oder sogar Chance.
Betrachten wir zunächst die "Lage“ im gesellschaftlichen Kontext. Der Tempel befindet sich an einem prominenten Ort in der Stadt und ist dort deutlich abgesetzt von den Bereichen, die mit zeitgenössischer Kunst heute in Wien assoziiert werden (wie etwa das Museumsquartier oder die Straßen, in denen derzeit Galerien ansässig sind); daher können vom Tempel aus eigene und neue Impulse im etablierten Geschehen gesetzt werden. Die exponierte Situation bietet allerdings nicht nur Unabhängigkeit (von den bekannten Schauplätzen in Wien); sie fordert im Gegenzug eine besondere Auseinandersetzung mit den spezifischen Gegebenheiten dieser Plattform. Die Partnerschaft mit einem so bedeutenden Museum wie dem KHM garantiert dieser Seite unserer Interventionen ein solides Fundament, wobei die Voraussetzungen für ein unabhängiges Experiment mit dem traditionellen Bau gleichzeitig sehr günstig sind: es besteht hinreichend Distanz zu dem gewichtigen Träger und den gesicherten Werten, die ein Museum – und vor allem ein Museum großer, alter Kunst – repräsentiert: räumlich ohnehin, da der Tempel "außerhalb“ des KHM situiert ist, und inhaltlich, weil zeitgenössische Kunst bislang nur ausnahmsweise zu den Themen des Museums gehörte. Daher kann der Tempel neben dem anerkannten Haus eine gewisse Eigenständigkeit entwickeln, kann seine räumliche und inhaltliche Distanz wahren, hat den Freiraum, den ein experimenteller Umgang mit dem klassischen Rahmen braucht, mit der Herausforderung, die der klassische Rahmen stellt. Besonders förderlich wirkt sich außerdem der Umstand aus, dass an diesem Ort lange Zeit keine prägnanten Ausstellungen stattgefunden haben: der Tempel ist als ein Raum für Kunst unbelastet und neutral; er ist ein unbeschriebenes Blatt. Natürlich muss – in Sichtweite des KHM – die internationale Bedeutung des künstlerischen Programms garantiert sein. Unsere Auswahl der beteiligten Künstlerinnen, Künstler und Unterstützer kann neben dem internationalen Ansehen der alten Sammlung bestehen; sie hat ihr eigenes Gewicht und kann auch in dieser Hinsicht die notwendige Unabhängigkeit und Eigenständigkeit bewahren. Das größte Problem für eine Wiederbelebung und Aktualisierung des klassischen Bauwerks stellt zunächst die Architektur: nach außen ein imposantes Signal, nach innen ein kleiner Raum. Diese Situation verlangt nach Fähigkeiten, wie sie in der zeitgenössischen Kunst im besonderen Maße vorliegen. Dort gibt es die notwendige Erfahrung, dort gibt es das Wissen darüber, wie ein Werk (oder eine Werkgruppe) gestaltet sein muss, damit es in relativ beengten räumlichen Möglichkeiten genügend Kraft und Konzentration gewinnt, um über die Grenze der kleinen Einheit hinaus wirksam zu sein. Dennoch muss sich jedes aktuelle Programm in diesem Rahmen auch auf die historischen Gegebenheiten und die Nähe zu KHM einstellen.Das KHM verfügt über einen einzigartigen Bestand an Gemälden und gehört in diesem Bereich zu den weltweit führenden Institutionen. Es verdankt den Reichtum seiner Sammlung in erster Linie dem Habsburger Herrscherhaus, ein Erbe, das sich nunmehr im Besitz einer demokratisch verfassten Gesellschaft befindet. In diesem Zusammenhang nimmt der Theseustempel nicht nur einen besonderen oder sogar außergewöhnlichen Platz ein, weil er etwas abseits und außerhalb des Hauptgebäudes steht. Auch die Entstehungsgeschichte des Tempels ist ungewöhnlich und muss im Moment einer Wiederbelebung bedacht werden; sie wird den Künstlern als die konkrete Bedingung ihrer Intervention in der Stadt vorliegen.
Das klassizistische Bauwerk ist das Ergebnis einer komplexen, konfliktreichen und wechselvollen Geschichte. Es entstand auf einem "beweglichen Grund", der zwar schon lange zur Ruhe gekommen ist. Dennoch sind die Verwerfungen und Bruchlinien seiner Geschichte im Gelände, im Bauwerk und in der städtischen Situation immer noch zu spüren; es ist ein auffälliges Zeichen auf einer ungewöhnlichen Position. Zu diesen besonderen Voraussetzungen zählt im übrigen die Tatsache, dass die Skulptur, für deren Präsentation der Tempel vor knapp 200 Jahren errichtet wurde, seinerzeit ein ganz neues, ein zeitgenössisches Werk war (in der Sammlung des Kunsthistorischen Museums ist es immer noch eines der jüngsten). Ein aktuelles Kunstwerk zu beherbergen war also für den Innenraum des Tempels die einzige und ursprüngliche Funktion: Er sollte den Theseus im Kampf mit dem Kentauren von Antonio Canova in Wien zeigen. Die Marmorskulptur des italienischen Bildhauers betreibt in ihrem nahezu puren Weiß eine Idealisierung der Antike, wie sie seinerzeit nicht nur dem Klassizismus sondern vor allem dem künstlerischen Ideal der französischen Revolution entsprach. Napoleon hatte diese Skulptur schon 1805 bei Canova in Auftrag gegeben und zwar, um seinem Sieg über das Ancien Régime in Mailand ein Denkmal zu setzen; das war in Norditalien zu der Zeit in erster Linie ein Sieg über die Macht des österreichischen Herrscherhauses. Als Kaiser Franz I. 1819 – also einige Jahre nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Imperiums – seinerseits den Künstler in Italien aufsuchte, stand die Skulptur immer noch im Atelier. Der österreichische Kaiser übernahm den ungenutzten Auftrag des Besiegten und ließ die Marmorgruppe nach Wien bringen, um mit dem "Beutestück“ im Zentrum seiner Macht einen Triumph zu feiern, der die ursprüngliche Bedeutung auf den Kopf stellt: der Theseus war in seiner unwirklich makellosen Haut nun als ein Monument des Sieges zu lesen, den das Haus Habsburg über das napoleonische Ungeheuer errungen hatte.Nicht nur die Umwertung der Skulptur, auch die Position des Tempels selbst war unmittelbar verbunden mit den tiefen Erschütterungen, die Europa im Zuge der französischen Revolution erfassten, und wieder stand eine herrschaftliche Geste Napoleons am Anfang der Geschichte, eine Machtdemonstration, die nach Waterloo immer noch das Stadtbild Wiens prägte und ebenfalls umgewertet werden musste: Der französische Feldherr hatte die Stadt 1809 ein zweites Mal eingenommen und dann – um seinem militärischen Erfolg ein dauerhaftes "Zeichen" zu setzen und eine handfeste Garantie zu verschaffen – eine große Bresche in die alten Festungsanlagen sprengen lassen. Zwischen 1819 und 1923 entstanden an der freigesprengten Stelle der Volksgarten und jener Nachbau des Theseion, dessen Original (oder genauer: Modell, denn der Architekt nahm einige Veränderungen vor) in Athen zu finden ist, konzipiert als idealer Rahmen für Canovas Werk.
Die Skulpturengruppe war im Theseustempel bis 1890 ausgestellt und kam dann ins Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums, wo sie sich immer noch befindet. In der Folge erlebte das Bauwerk ganz unterschiedliche Nutzungsformen; sie reichten von der Präsentation antiker Funde bis zu kleinen Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst. Während das Äußere des Tempels in die fernste Vergangenheit weist, erzählt seine Positionierung von den letzten Niederlagen und Siegen des Feudalismus oder vom Schatten der Vergänglichkeit, dem die Machthaber der Geschichte im Marmor der Kunst entgehen wollten; auch der Herr, den Hegel die "Weltseele zu Pferde" nannte, blieb davon nicht verschont. Gleichzeitig steht das markante architektonische Zeichen am Anfang der großen urbanen Eingriffe, die den Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert begleiten und die bürgerliche Aneignung der Metropolen Europas kennzeichnen: die Schleifung der alten Festigungsanlagen und Stadtmauern. Und schließlich mag der Tempel sogar als ein Wahrzeichen für den Verfall (der Anerkennung) gelesen werden, den repräsentative Bauwerke alter Macht in der 2. Hälfe des 20. Jahrhunderts erlebten – bis die Postmoderne sich der Bedeutung dieser Zeichen annahm.Der Theseustempel stellt einer Nutzung für aktuelle Kunst ungewöhnliche oder sogar extreme Bedingungen. Dem modernen Betrachter muss das Bauwerk wie ein veraltetes Lehrbeispiel traditionalistischer Architektur erscheinen, wie ein Schaubild für eine Ästhetik, Technik und Raumorganisation, die in der Gegenwart jeden Sinn verloren hat. Und mehr noch: Perfekt könnte es das Verschwinden des Sakralen symbolisieren, das der französische Philosoph Jean-Luc Nancy als eine der entscheidenden Voraussetzungen der Gegenwart und die neue Funktion oder Herausforderung der Kunst beschreibt. Insofern droht ein Programm, das dieses Zeichen wieder mit Kunst in Verbindung bringen will, ein Ding der Unmöglichkeit zu werden. Wer immer das klischeehafte Bild sucht, die beliebte polemische Zuspitzung, die der Journalismus zur Abwehr von Kunst braucht, hier hätte er Wort und Sache vor Augen: den Kunsttempel, ohne Funktion freigestellt in einem städtischen Park, aufwendig dekoriert und stilisiert, eine optische Täuschung der Zeit, ein Déjà Vu im Raum oder die real gewordene Vorstellung einer Vergangenheit, zu der es keinen Zugang mehr gibt: Widerschein einer Verehrung, die vom verlorenen kultischen Rahmen lediglich die Ahnung großer Bedeutung auf sich zieht. Die jüngsten Auswirkungen würden wir heute in Las Vegas finden.
Der rohe Innenraum dieses Wahrzeichens des Historismus vollendet die irreale Bildhaftigkeit des Äußeren durch ein materialgerechtes Pendant: ein einzelner leerer Raum, den eine streng symmetrische Ordnung bis fast zur Abstraktion oder puren Modellhaftigkeit entrückt, ein schlichter Kubus, nüchtern, massiv, ausgegrenzt und erhaben wie eine Grabkammer. Die moderne Erfindung des White Cube trifft an dieser Stelle auf ihren verdrängten Entwurf: eine überraschende Begegnung, eine Herausforderung, die allen Beteiligten – Künstlern, Sammlern und Organisatoren – jedoch auch die Möglichkeit eröffnet, die Grundlagen der aktuellen Bedingungen und Gewohnheiten zu überdenken, die Selbstverständlichkeiten und das Selbstverständnis, das der White Cube im Umgang mit der Kunst fördert.Der Theseustempel bietet die seltene Gelegenheit, einen Raum zu bespielen, der zu einem bedeutenden Museum gehört und dennoch "außerhalb“ seines Rahmens liegt (was dies für das Museum bedeuten kann, haben wir eingangs schon angedeutet; dazu weiter unten ausführlicher). Für Künstler und private Sammlungen ist ein Museum nicht irgendein Haus, nicht irgendeine Bedingung unter vielen. Noch immer nehmen diese institutionell besonders etablierten und traditionsreichen Säle einen herausragenden Platz im Denken ein. Sammler kennen das Museum vielleicht nur als Vorbild, Konkurrenzunternehmen oder abschreckendes Beispiel. Künstlerinnen und Künstler könnten die Wirkung wohl noch tiefer gehend beschreiben: von der Konzeption und Entstehung über die Aufbereitung für den Verkauf bis hin zur konservatorisch oder historisch korrekten Lagerung im Archiv lässt sich die Einflussnahme der alten Institution nachweisen, die Aussicht auf einen Platz im Pantheon der Kunst. Die Macht dieser "Adelung" wird von Künstlern – und von der Kritik – ganz unterschiedlich behandelt: sie wird bestätigt, ersehnt, übertrieben, kritisiert, sabotiert oder dämonisiert. Für manche bleibt sie die einzige Hoffnung, ihre Zeit zu überleben, ihrem Erfolg oder Misserfolg zu entkommen. Und was einige Künstler als schönen Wunschtraum hegen oder als das Fundament ihres Schaffens, als ihr eigentliches Wirkungsfeld, ansehen, das nehmen andere als die endgültige Aufhebung ihres Anliegens wahr: die heiligen Hallen als letzte Ruhestätte eines Strebens, das gegen eine Musealisierung gerichtet war. Insofern wird die Partnerschaft mit dem KHM zu einem Glücksfall. Sie gibt dem Tempel eine Dimension und Spannung, die all diese Faktoren – Museum oder Mausoleum, verborgene Wirkung oder eindeutige Lesart, schon lange überwundene Illusion oder immer noch wirksame Versuchung – nicht nur eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken erlaubt; sie können hier auch direkt thematisiert werden.
In den beiden letzten Jahrzehnten hat die private Initiative im Bereich der Kunst eine neue Bedeutung erlangt und ist dabei in das Konfliktfeld sehr gegensätzlicher Interessen geraten. Einerseits wird von der privaten Initiative mehr oder weniger selbstverständlich erwartet, für die öffentliche Hand einzuspringen. Andererseits werden die privaten Sammler heftig angegriffen, weil sie den staatlichen Trägern beim Rückzug aus der Verantwortung helfen. Diese doppeldeutige Situation ist noch schwieriger zu entschlüsseln, wenn die privaten Akteure das höhere Ansehen und die Anerkennung für ihre Hilfe eigennützig einstreichen, während sie tatsächlich nur kurzsichtig ausgleichen, was im öffentlichen Bereich an Mitteln für Kunst langfristig gestrichen wird. Im Hintergrund dieser Debatte wirken natürlich immer noch die alten Formeln der Kritik, der Vorwurf beispielsweise, Sammler degradieren mit ihren eitlen Wünschen die Kunst zu einem Produkt auf dem Markt oder missbrauchen ihre Erwerbungen zur Selbstdarstellung. Mag dies in einigen Fällen durchaus zutreffen, so verdankt doch vor allem die jüngere zeitgenössische Kunst privaten Sammlern sehr viel. Neben der Spekulation mit gesicherten Werten wurde eine Reihe ganz ungewöhnlicher Projekte gefördert, die keineswegs dem Trend der Nachfrage auf dem Markt entsprachen oder die so viel Aufwand und finanzielles Engagement verlangten, dass öffentliche Institutionen nicht bereit oder fähig waren, die notwendigen Mittel aufzubringen. Dasselbe gilt für die inhaltliche Seite: viele Projekte, die aufgrund ihres konzeptuellen oder immateriellen Charakters die Vorstellungskraft der Verantwortlichen in den öffentlichen Institutionen überforderten, konnten nur durch private Unterstützung verwirklicht werden. Nicht die öffentliche Hand, sondern unabhängige Sammler sind den Künstlern ungewöhnlich bereitwillig in Grenzbereiche gefolgt, haben hier extrem individuelle und ungesicherte Visionen akzeptiert, haben sich von Plänen und Vorschlägen überzeugen lassen, auf die niemand anderer sich eingelassen hätte.
Die private Förderung der zeitgenössischen Kunst ist also weitaus widersprüchlicher und vielfältiger, als die Kritik es wahrhaben will. Und da private Sammler sehr vieles ermöglichen, ohne sich damit in der Öffentlichkeit zu zeigen, ist auf diesem Gebiet auch einiges zu entdecken. Der Theseustempel soll zu einem Ort werden, an dem diese Aktivität in zweifacher Weise exponiert wird: durch eine Reihe von Ausstellungen ungewöhnlicher Werke, die wir privaten Sammlungen verdanken, und durch eine kuratorische Zuspitzung, die die Aufmerksamkeit auf das fruchtbare Verhältnis lenkt, das zwischen künstlerischer Vision und Engagement der Sammler besteht. Da der Tempel die Aktivitäten und Möglichkeiten privater Förderung in besonderer Weise sichtbar machen kann, sollen die angesprochenen Sammler ihr Engagement dort in erster Linie beweisen: sie werden also als Förderer gefragt, die es zugleich verstehen, hinter das Anliegen der Kunst zurückzutreten.Schon vor den großen Spannungen der Weltwirtschaftskrise, die seit 3 Jahren in die zeitgenössische Kunstwelt ausstrahlen, haben sich im Ausstellungswesen neue Tendenzen bemerkbar gemacht, in öffentlichen Institutionen ebenso wie in kommerziellen Einrichtungen. Was bislang in diesem Bereich selbstverständlich war – die Ausstattung einer Galerie, die Hängung an der Wand, die Stimmung im Raum, die Abgrenzung zur Vergangenheit – all das wurde allmählich in Zweifel gezogen. Anzeichen für diese Veränderung gibt es zu Genüge. Nehmen wir nur die Ausstellungen, die im Palazzo Fortuny in Venedig während der Biennalen seit 2007 zu sehen waren und 2011 mit dem Projekt Edge of Becoming fortgesetzt werden: Kooperationen zwischen einem privaten Sammler und einer öffentlichen Institution oder ein Nebeneinander von kommerziellen und musealen Interessen. Diese Projekte haben nicht nur die übliche Stimmung im Ausstellungsraum – die museale ebenso wie die kommerzielle Wirkung (des White Cubes) – verändert; sie regen auch an, die Trennung zwischen alter und aktueller Kunst zu überwinden. Für das KHM wären in diesem Zusammenhang wohl die Räume und Bestände der Kunstkammer von besonderem Interesse. Zur Kunstkammer steht der Theseustempel zwar im scharfen Kontrast, nicht aber das Programm, das vom CAC für den Tempel verwirklicht wird. Im Gegenteil, die Aktivitäten, die hier gemeinsam mit privaten Sammlungen entstehen, die Erfahrungen, die dabei mit Künstlerinnen und Künstlern gemacht werden, ließen sich sicherlich auch für einen innovativen Umgang mit Kunstkammer verwerten – denn nur die subtile Abstimmung der Anforderungen zeitgenössischer Werke und Interventionen mit denen der älteren Kunst kann ein solches Vorhaben zum Erfolg führen.
Der CAC hat in der eigenen Zusammensetzung darauf geachtet, dass die notwendigen Voraussetzungen für eine Praxis mit international bedeutenden Künstlern und Sammlern gegeben sind. Seine Aktivität wird getragen von:
Roberto Ohrt, ein unabhängiger Kurator, der das internationale Geschehen kennt (Ausstellungen im Centre Georges Pompidou, ZKM Karlsruhe oder MdM Salzburg) und Standardwerke zur Geschichte der Moderne geschrieben hat
Wilfried Kühn, ein Architekt, der viele Institutionen der aktuellen Kunst für eine bessere Nutzung umgestaltet hat (documenta 11, Friedrich Christian Flick Collection, Julia Stoschek Collection)
Alexander Schröder, ein Galerist und Sammler, der in Berlin – heute das weltweit bedeutendste Zentrum zeitgenössischer Kunst – ansässig ist, in der Stadt an vielen international beachteten Projekten beteiligt war (Schinkel Pavillon, INIT Kunsthalle, Galleryweekend, abc)
Gabriele Senn, eine Galeristin und Sammlerin, Vorsitz Die Galerien Wien, Betreuung privater Sammlungen, Gründungsmitglied der Viennafair, sowie des Vienna Gallery Weekends.
CAC Contemporary Art Club
Windmühlgasse 30/9
1060 Wien
mail@contemporaryartclub.at